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Vardø im Winter

Ankunft in Vardø

10. März. Der Himmel ist grau. Es regnet. Wer hätte das gedacht? Mehr als 70 Grad nördlicher Breite und so warm. In den Nachrichten beschreiben sie das Atlantiktief, überall in Nordnorwegen regnet es.
An den Filetfabricken blättert der Putz ab, sie sind leer. Norwegische Filets werden jetzt in China verarbeitet. Gefangen wird hier allerdings noch. Heute morgen sehe ich zig kleine Boote. Der Ausläufer des Golfstromes treibt ihnen Kabeljau und Hering in die Netze.

Auf dem Flug gestern habe ich einen Ureinwohner getroffen, der jetzt eine Computerfirma in Oslo betreibt. Beim Anflug in der Nacht frage ich ihn nach dem Lichtfleck dort rechts von uns, ob das Kirkenes sei? Ja, klar, was anderes gibts hier nicht, er lacht. Und der größere da drüben weiter im Osten? Das ist Murmansk, nur 150 km entfernt. - Die einzige russische Stadt in der Nähe, die den ganzen Winter über eisfrei ist. Bis hierher reicht der warme Golfstrom.

Bilder aus Vardö

Die Offenheit und Herzlichkeit der Einwohner hat einen Nachteil. Ich verliere meine Distanz, meine Objektivität. Mit meiner wachsenden Sympathie für die Bewohner dieser Fischerinsel schwindet meine Fähigkeit der Beschreibung dessen, was ich hier erlebe. Noch nie bin ich in Skandinavien so mit offenen Armen aufgenommen worden wie hier, nördlich des 70sten Breitengrades, an der Kante der Arktis. Ich fiebere mit denen, die die Insel noch nicht verlassen haben, wuensche, dass sie sich durchsetzen mögen mit ihrer Beharrlichkeit und ihrer Experimentierfreude.

Ich verfolge mit, wie ein dänischer Investor 35 neue Arbeitsplaetze schafft mit seiner Krabbenzuchtanlage, die in wenigen Wochen in Betrieb genommen wird. "Wir sind völlig am Boden", sagt mir Marit. Sie ist Hebamme bei uns, ihr Bruder Chef des Hafens. Sie haben den Niedergang ihrer Flotte erlebt in den letzten 20 Jahren und dann noch das Ende der Filetfabricken, weiter runter gehts nicht mehr. "Jetzt muessen wir den Rest verteidingen, ber wir müssen auch was Neues probieren", meint Marit. "Ich bleibe hier, ich werde hier niemals weggehen", sagt mir der Fischer, den ich wegen seines Bandscheibenvorfalls bereits die fünfte Woche krank schreibe. "Ich bin Optimist, wir werden wieder hochkommen", sagt er. Vielleicht hat er recht, denke ich. Vardø hat schon andere ökonomische Krisen durchgestanden, z.B. verursacht durch den Preisverfall für ihren Fisch in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Aber das hatte andere Ursachen, wie zum Beispiel die Krise des Weltmarktes und nicht die der strukturell wirtschaftlichen Unterlegenheit gegenüber der modernen Konkurrenz. So schlimm wie jetzt war es hier noch nie.

"Kysten til Kamp!" (Die Kueste zum Kampf!), eine regionale Bürgerinitiative Nordnorwegens klagt die rücksichtslose Fischereipolitik der Regierung an, die in ihren Fangquoten die Riesenkutter begünstige, die viel brutaler ins natürliche Gleichgewicht eingreifen würden als die viel gezielter und selektiver fischenden küstennahen Kleinkutter. Das Problem sei, dass die Fangquote lediglich nach der Bootslänge bemessen werde, was die schlanken, kleinen Boote im Gegensatz zu den plumpen Trailern benachteilige. Könnte man in diesem Konflikt die geltenden EU-Wettbewerbsrichtlinien anwenden, so müsste die norwegische Politik als klarer Bruch solcher bewertet werden. Mancher Kleinfischer, der die EU eigentlich als das Schreckgespenst der puren Interessenvertretung des Grosskapitals betrachtet, und dadurch die Norwegische Unabhängigkeit von der Europäischen Union stützt, mag nun paradoxerweise in den EU-Wettbewerbsregeln eine Chance seiner ökonomischen Rettung sehen.

MitternachtssonneTrotz dieses Überlebenskampfes der noch verbliebenen 2300 Einwohner (1985 waren es noch 5000) erlebe ich am letzten Wochende einen fantastischen Kabarettabend im Nordpolkrug. Gegen Mitternacht gehen wir alle ins "Nausted" ("Seeplatz"), nach unten, in die Disco. So tanzen wir durch die Polarnacht, trinken, rauchen. Renate erklärt mir, dass sie nach 10 Jahren Südschweden wieder zurück musste, wegen der Mitternachtssonne, die hier am allerschönsten ist. Ich müsste mir das unbedingt mit ihr ansehen, im Sommer, wenn ich zurückkäme. Um vier gehen wir rüber zu Per, es ist taghell. Wir müssen Pers scheusslichen Schnaps trinken. Ich stehe mit Lena am Fenster und wir unterhalten uns über den Meereshorizont zwischen den Dächern der Häuser.

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